Autonomes

Ackern

Die Robotik entwickelt sich rasant weiter – auch in der Landwirtschaft. Die neueste Generation von Agrarrobotern erledigt als universell einsetzbare Plattformen präzise unterschiedlichste Agrar-Jobs. Und das wird in Zukunft immer gefragter sein.

Text: Jörg Huthmann

Im Stall sind selbstständig arbeitende Maschinen bereits in großem Stil etabliert – und zwar in Form von Melkautomaten. In den Niederlanden etwa waren 2020 schon ein Drittel aller Milchviehbetriebe damit ausgerüstet. Auch in anderen Ländern beweisen Melkautomaten schon länger, dass sie sinnvolle Helfer sein können. In der Außenwirtschaft, in der vor allem die sicherheitstechnischen Hürden höher sind, könnte der großflächige Einsatz von selbstständigen Maschinen schneller gefragt sein als bisher prognostiziert. Denn nicht nur Vorgaben aus der Politik oder der Klimawandel verändern die Landwirtschaft rasant. Auch ein verstärktes Bewusstsein für die ökologische Bodenbearbeitung sorgt unter anderem dafür, dass sich der großflächige Einsatz von Agrarchemie verringert. Gleichzeitig wollen immer weniger Menschen auf dem Acker arbeiten. Somit fehlen Arbeitskräfte für die sogenannten 3D-Tätigkeiten, also alles, was „dull, dirty and dangerous“ ist, oder auf Deutsch: stumpf, schmutzig und gefährlich. Die Corona-Pandemie hat den Arbeitskräftemangel noch verschärft, besonders im Bereich Erntehilfen. Agrarroboter könnten Abhilfe schaffen.

Große und kleine Vorteile

Doch auf welchem Stand ist die Robotik bei Erntemaschinen? Ihre Weiterentwicklung zeigt sich in höheren Geschwindigkeiten, gesteigerten Bildwiederholraten, neuen Bauweisen und auch neuer Bordelektronik für längere Betriebszeiten und eine höhere Belastung. Aktuelle Modelle gibt es in diversen Größen und Formen: Filigrane Konstruktionen, die in skalierbaren Schwärmen arbeiten. Und es gibt tonnenschwere Mehrzweckroboter, die Traktorenarbeit übernehmen. Dr. Girish Chowdhary ist Juniorprofessor für Agricultural and Biological Engineering und Computerwissenschaften an der University of Illinois sowie Director des Field Robotics Engineering and Sciences Hub (FRESH). Er arbeitet an Roboterlösungen, die ihren Platz zwischen Großmaschinen und menschlicher Handarbeit haben. Er weiß, dass so eine autonom agierende Großmaschine eine administrative Herausforderung darstellt. „Ein autonomer Roboter in Traktorgröße wirft auch Haftungs- und Sicherheitsbedenken auf. Wer ist für eventuelle Schäden verantwortlich?“ Das heißt: Trotz mehrfach redundanter interner Sicherheitssysteme und virtueller Zäune (Geofencing) gilt es zu bedenken, was passiert, wenn die Technik versagt. Eine ähnliche Diskussion, wie sie zum autonomen Fahren im Straßenverkehr stattfindet. Hier schaut die Landtechnikindustrie interessiert hin.

Autonomie unter Aufsicht

Im Einsatz sind große Traktoren heute schon mit der sogenannten Autonomiestufe 1, was bedeutet, dass sie eigenständig operieren, dabei aber ständig beaufsichtigt werden müssen. „Hands off, but not eyes off“ nennen das die Fachleute, so ist es etwa auch in Maschinen wie dem CLAAS LEXION gängig. Die Autonomiestufe 2, bei der die Roboter unbeaufsichtigt wären („Eyes off“), ist besonders bei großen Maschinen juristisch mit Haftungsfragen verbunden. Bei kleineren Robotern hingegen scheint die Autonomiestufe 3 – ein Bediener für viele Roboter – nicht die gleichen Hürden zu bedeuten. Daher glaubt Chowdhary, dass „kleinere Roboter in Europa oder in den USA leicht in großem Maßstab einzuführen wären, weil sie bei anormalem Verhalten weniger Schaden anrichten und so ein sehr viel geringeres Risiko darstellen“.

Kleine Maschinen werden den Landwirten neue Optionen bieten, die die Möglichkeiten ergänzen, die sie heute mit großen Maschinen haben.“

Dr. Girish Chowdhary

Keine Konkurrenz der Konzepte

Die Hersteller großer Erntemaschinen betonen: Große Flächen und Mengen in kurzer Zeit zu ernten, das werden Roboter in absehbarer Zeit nicht leisten können. Diese Haltung teilt Professor Chowdhary nur zum Teil: „Kleine Ernteroboter werden es schwer haben, die etablierten Großmaschinen in diesem Bereich zu verdrängen“, so der Experte. „Ich glaube aber, dass kleine Roboter in der Landwirtschaft viel erfolgreicher sein werden, wenn es um Dinge geht, die große Maschinen nicht erledigen können.“ Letztlich gehe es gar nicht um einen Wettbewerb zwischen kleinen und großen Maschinen. Vielmehr gehe es darum, dem Landwirt mehr Möglichkeiten zu geben.„Kleine Maschinen werden den Landwirten neue Optionen bieten, die die Möglichkeiten ergänzen, die sie heute mit großen Maschinen haben“, ist Chowdhary überzeugt.

„Kleine und leichte Roboter haben im Außeneinsatz viele Vorteile“, so Girish Chowdhary. Zu nennen sei etwa ihre geringe Bodenverdichtung. „Ein weiterer Pluspunkt ist ihre Skalenneutralität. Kleine Betriebe können weniger Roboter einsetzen und große Betriebe können mehr einsetzen. Großgeräten sind meist in großen Betrieben kosteneffizient.“ Bei Reihenkulturen wie Mais, Sojabohnen und Baumwolle ermöglichen kleine Roboter den Zugang bei Unterdach- beziehungsweise Unterfolie-Anbau.

Plattformlösung für flexiblen Einsatz

Neben Spezialisten wie Ernterobotern für Spargel oder für Erdbeeren gibt es auch integrierte Lösungen. CLAAS setzt mit seiner Beteiligung an dem Unternehmen AgXeed auf eine solche und verfolgt einen Plattformansatz. AgXeed mit Sitz in Oirlo in den Niederlanden, etwa 20 Kilometer westlich von Geldern, ist kein klassisches Start-up, sondern ein Zusammenschluss erfahrener Landtechnikspezialisten, die neue Wege gehen. Ihr AgBot ist eine Plattform, die wie ein Traktor viele verschiedene Aufgaben erledigen kann und über mechanische und elektronische Schnittstellen mit unterschiedlichen Anbaugeräten arbeitet. Einige Eckdaten: 156 PS aus einem dieselelektrischen Antrieb, Rad- oder Vollraupenfahrwerk und ein Dreipunktkraftheber. Mit maximal sechs Tonnen Gesamtgewicht ohne Ballastierung bringt er wenig Druck auf die zu bearbeitenden Flächen und erfüllt mit geringer Bodenverdichtung eine wesentliche Forderung nachhaltiger Landwirtschaft.

Buchbarer Service

Noch haben die vollautomatischen Helfer – kleine wie große – ihren Preis. Dazu kommt, dass wegen des hohen Entwicklungsdrucks eine einmal gekaufte Maschine schnell an Wert verliert. Das macht Roboter für „Farming as a Service“ interessant, vor allem bis sie industrialisiert verfügbar sind. Einige Herstellerfirmen wie das US-Unternehmen Harvest CROO Robotics bieten heute schon die Arbeitskraft ihrer Roboter an. Farmen bezahlen die Erdbeerernte-Roboter wöchentlich und nach geernteter Menge. Solche Dienstleistungsmodelle machen den Einsatz von Robotern auch für kleine und mittlere Betriebe attraktiv. Das gilt umso mehr, wenn die Roboternutzung Teil eines umfassenden Dienstleistungspakets ist.

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Fragen
an AgXeed

Joris Hiddema ist Mitgründer und CEO von AgXeed. Die Roboter-Spezialisten aus den Niederlanden versprechen sich neue Möglichkeiten von der Zusammenarbeit mit CLAAS.

Wie autonom können die AgXeed-Maschinen heute schon eingesetzt werden?

Unsere AgBots können überall dort eingesetzt werden, wo auch andere Maschinen eingesetzt werden können. Der autonome Modus kann jedoch nur innerhalb der definierten Feldgrenzen unserer Geofencing-Systeme laufen. Darin sind unsere AgBots in der Lage, völlig unbeaufsichtigt zu arbeiten. Die Erfüllung der strengsten Sicherheitsanforderungen war dabei von Anfang an Teil des Konzepts. Entsprechend wurden alle Komponenten in den sicherheitskritischen Systemen spezifiziert. Und die Zulieferer sind gefordert, diese Spezifika zu erreichen. Dies bedeutet auch, dass diese Autonomiestufen niemals durch das einfache Hinzufügen eines „Autonomie-Kits“ zu konventionellen Maschinen erreicht werden können. Mit Blick auf die Praxis kann es durchaus sein, dass die ersten Kunden die AgBots im Einsatz aus der Ferne überwachen. Mit der Zeit wird das Vertrauen wachsen, dass unsere AgBots auch unerwartete Situationen auf sichere Weise bewältigen.

Was sind die Hauptvorteile der Zusammenarbeit mit CLAAS?

Die Zusammenarbeit mit Claas verschafft uns Zugang zu einem umfangreichen Wissensnetzwerk, nicht nur in Bezug auf Marktdaten, sondern auch auf fortschrittliche Technologien, Lieferantendatenbanken oder geistiges Eigentum. Wir glauben als Unternehmen an den Aufbau von Partnerschaften sowohl auf der Entwicklungsseite als auch bei der Vermarktung. Wir prüfen bereits den Mehrwert für die Landwirte, indem wir unsere AgBots mit Geräten von CLAAS verbinden und die Funktionalität durch die Integration unserer Lösungen optimieren. Außerdem gibt es potenziellen Kunden großes Vertrauen, dass eine renommierte Marke wie CLAAS hinter unseren Lösungen steht!

Was sind die nächsten Schritte in der Agrarrobotik?

Angebote „As a Service“ sind in der Tat eine Richtung, die wir verfolgen. Das Hauptunterscheidungsmerkmal ist hier das Potenzial der Daten, die von unseren AgBots gesammelt werden. Im Moment machen wir die von uns gesammelten Daten für die Landwirte nutzbar, indem wir zum Beispiel verdichtete Bereiche auf dem Feld kartieren usw. Wir wollen die Möglichkeiten der von uns gesammelten Daten in der gesamten Lebensmittelversorgungskette weiter erforschen. Die vom AgBot erzeugten Daten können von allen Beteiligten vom Bauernhof bis zum Verbraucher genutzt werden. Mit diesen Daten können die Verarbeitung und das Bewusstsein für den Konsum positiv beeinflusst werden, was wiederum die Einstellung gegenüber den Landwirten verbessern wird. Lebensmittel werden nachhaltiger und effizienter produziert. Der AgBot trägt als Datensammler zur Transparenz bezüglich der Herkunft der Lebensmittel bei.